Lipowsky 1811

Hitzelberger, (Sabina): Hitzelberger, (Sabina), Hofsängerinn an der Großherzl. Würzburgischen Hofkapelle, geboren zu Randersacker den 12. Nov. 1755. Wenn je eine Familie tüchtige Subjekte für die Tonkunst lieferte, so war es diese, wovon Genannte, und der ehemalige brave Hoflautotraversist (Flötenspieler) Hitzelberger die Stämme waren. Seit vielen Jahren hat sie von Zeit zu Zeit sehr brave Sängerinnen geliefert, welche frei von aller Ziererei, von aller Affektion, mit schönem reinen Tone, und ächten gefühlvollen Ausdrucke die öffentliche Konzerte hoben, den nie vorbereiteten Beifall des Publikums an sich zogen, und sich so den verdientesten Anspruch auf stetes, dankbares Andenken des ganzen unpartheyischen Publikum erwarben. Wenn schon wahres musikalisches Talent an jedem Sprößlinge dieser Familie unverkennbar ist, so hat doch das Meiste die schöne und richtige Methode, womit die Mutter sang, zu jener Vollendung beigetragen, womit ihre Kinder singen. Diese große Meisterinn bildete eine eigene Schule (1), welche sie allen ihren fleißigen, nicht von der Natur stiefmütterlich behandelten Schülerinnen beizubringen wußte, durch welche sie auch allzeit, selbst gegen die Chikanen ihrer Feinde, siegte, und den Grund zu dem Glücke ihrer Kinder legte. -- Ihre vortrefflichen Anlagen zeigten sich schon sehr frühe, so zwar, daß sie schon mit 10 Jahren ihrer Geschicklichkeit wegen in das Ursuliner-Kloster aufgenommen wurde, und auch auf mehreren Chören in verschiedenen Kirchen der Stadt als Sopranistin engagirt wurde. Durch die viele Uebung, in der damals sehr häufigen Kirchenmusik, wurde der Grund zur eigentlichen musikalischen Fertigkeit, zum sogenannten Notenlesen gelegt. -- So wichtig auch diese Uebung in der Kirchenmusik für diese angehende Sängerinn in Hinsicht der erlangten Festigkeit gewesen, so war sie doch nur eigentliche Vorbereitung, diente aber doch dazu, daß man sie bemerkte, und sie eines vollendeten Unterrichts würdig fand, wozu sich auch bald eine schickliche Gelegenheit vorfand. Fürst Adam Friederich hatte, um seine innländischen Talente ausbilden zu lassen, den braven Sänger, und auch vortrefflichen Lehrmeister im Gesange, Stephani, an seinem Hofe engagirt. Diesem Manne wurde die kleine 14jährige Sängerinn, nebst andern weiblichen Subjekten, wozu die brave Sängerinn Madame Marx gehört, zur Ausbildung übergeben, wobei der gute Fürstbischof sorgte, daß sie auch im Klavierspielen, in Sprachen u. s. w. Unterricht erhielten. Leidenschaftlich für die Tonkunst eingenommen, benützte sie diese Gelegenheit, und die dargebotenen Mittel zu ihrer Ausbildung mit solchem Eifer, daß sie bald bei Hof auftreten, und mit entschiedenem Beifalle singen konnte. Eine vorzügliche Gelegenheit ihre Talente zu zeigen, war die Anwesenheit des Churfürstens von Cöln Maximilian, jenes vortrefflichen Kunstkenners, am Würzburger Hofe, wo sie mit solchem Beifalle dieses großen Fürstens sich produzirte, daß er sich vom Fürsten ausbat, die nämliche Arie von dieser Sängerinn zwei Tage nacheinander zu hören, sie dem Fürstbischof als ein ausgezeichnetes Talent beßtens empfahl, und ihr 100 Dukaten zur Belohnung gab. -- Im 21sten Jahre ihres Alters wurde sie als Hofsängerinn dekretirt, und war in der Singkunst schon so weit gediehen, daß sie dem Rufe wegen ihrer Geschicklichkeit, das Engagement in das Concert spirituel, und des Amateurs in Paris auf sechs Monate verdankte. Mit einem seltenen Umfange der Stimme, (sie umfaßte drei volle Octaven) mit einer bewunderungswürdigen Leichtigkeit in Rouladen, mit einem dicken klarvollen Tone, schönen ächten Ausdrucke, welcher mehr in zarter Berührung des Herzens, als in einem grellen, auffallenden Herausstossen der Empfindung bestand, erreichte sie jenen Beifall im Auslande, welcher ihr in spätern Zeiten so gut als Trost und Beruhigung gegen manche geringe Angriffe dienen konnte. Mit vielem Lobe sprachen von ihr Journale von Paris, und rühmten von ihr so vieles Vorzügliches, daß die Königinn, hierdurch aufmerksam gemacht, sie zu hören verlangte. Auch hier trat sie mit solch großem Beifalle auf, daß sie der König in seine Dienste als Hofsängerinn mit einem jährlichen Gehalte von 6000 Livres, und der Erlaubniß auch in den öffentlichen Konzerten zu Paris auftreten zu dürfen, annehmen wollte. Allein dankbar gegen den Fürsten, dem sie ihre Ausbildung eigentlich zu danken hatte, verbat sie sich dieses Engagement. Auch in Mainz war ihr die Stelle einer Hofsängerinn zugedacht, welches Anerbieten sie aus dem nämlichen Grunde zurückwies. Im Jahre 1783 wurde sie auch nach Frankfurt am Main für die Winter-Konzerte engagirt, wo sie mit großem Beifalle sang. Mit so vielem Ruhme trat diese große Sängerinn auf, und gewiß, wäre sie weniger durch ihre sehr zahlreiche Familie gebunden gewesen, sie hätte auf mehreren Reisen ihren erhaltenen Ruf erweitert. Gehindert durch ihre häuslichen Verhältnisse, legte sie sich mehr auf die Ausbildung ihrer Kinder, hob die einheimischen Konzerte, und erhöhete durch ihren vortrefflichen Gesang das Vergnügen aller Gesellschaften, in denen sie sich befand. Ihre älteste Tochter war eine sehr brave Altistinn, und ausgezeichnete Klavierspielerinn, so wie ihre zweite Tochter Kunigunde Hitzelberger, eine vortreffliche Sopranistinn. Man kann kaum was schöneres hören, als wenn beide zusammen sangen. Beide so vollendet, so gleich in jeder Hinsicht des Vortrags, in jeder Manier, in dem richtigen Bezeichnen von Licht und Schatten. -- Die Jüngere hatte beinahe den nämlichen Umfang in ihrer Stimme, wie die Mutter. Besonders zeichnete sie sich durch jenes zarte Gefühl aus, welches nur den weichen Seelen eigen ist. Unnachahmlich sang sie die gefühlvollen Stücke, und sie wußte den darinn liegenden Charakter so ganz wieder zu geben. Die älteste Tochter heirathete späterhin, allein sie lebte nicht lange in dem Ehestande, sie wurde plötzlich von einer Krankheit dahin geraft. Die Jüngere, welche sich bei einem Besuche ihrer Schwester entsetzte, traf das nämliche Schicksal, und so entriß der Tod in einer Zeit von 8 Tagen diese beiden vortrefflichen Künstlerinnen der von ihnen so glücklich betretenen Laufbahn. Ihre dritte Tochter Johanna Hitzelberger, nachmals Königl. baierische Kammersängerinn, ist eine vortreffliche Altistinn. Sie hat eine sehr angenehme und volle Stimme, welche sich vorzüglich durch eine schöne und kräftige Tiefe auszeichnet. Das Sanfte ihres Charakters drückt sie so ganz in ihrem Vortrage aus, der mit edler Einfachheit und schöner Verkleidung uns in die Tiefe des Gemüthes anspricht, und diese Eigenheit dort fest hält. Sie heirathete noch in Würzburg, den dortigen Hofmusikus Joseph Bamberger, welcher auf der Violine sowohl, als auf dem Waldhorne bei jeder Gelegenheit mit allem Beifalle spielte. Anm. 1: Unter die vorzüglichsten von ihr gebildeten Sängerinnen gehören Crescentia Estner aus Wallerstein, welche der dasige Fürst ihr zur Bildung übergab, dann die jetzige Großherzl. Hofsängerinn Balling, aus Steinach gebürtig.