Lipowsky 1811

Brizzi, (Anton): Brizzi, (Anton), der erste Tenor-Sänger unserer Zeit, wurde zu Bologna im Königreiche Italien 1774 geb., widmete sich daselbst anfangs den Wissenschaften und der Musik, und lernte die Singkunst bei dem berühmten Tenoristen Anastasio Masso. Als er 24 Jahre alt war, sang er zum ersten Mal öffentlich zu Mantua und erwarb sich allgemeinen Beifall. Hierauf betrat er in Italien die ersten Opern-Theater, und erwarb sich durch seine ausserordentlich schöne Stimme, die mehr als drei Octaven umfaßt, durch seine vortreffliche Methode im Gesange, und sein sehr gutes, natürliches und wahres Spiel, solch einen ausgebreiteten großen Ruhm, daß die ersten Höfe Europens buhlten, um diesen großen Sänger zu hören. Wo er hinkam, und entweder in Konzerten, oder im Theater sang, war er allgemein bewundert, geliebt, geschätzt, und als der erste Tenorist angerühmt und gepriesen. In Wien, Paris und andern großen Städten, welche Sänger und Schauspieler erster Größe theils selbst hatten, theils schon hörten und sahen, war nur eine Stimme über seinen vortrefflichen Gesang sowohl, als auch sein natürliches sehr gutes Spiel, und überall ließ man seiner Kunst und seinen Talenten Gerechtigkeit wiederfahren. Dieser von der Natur mit einem schönen Körperbau, einem feinen richtigen Gefühle, und einer vortrefflichen Stimme so reichlich ausgestattete Künstler fand auch in München, wo man immer Künstler erster Größe zu besitzen, zu sehen und zu hören gewohnt war, jenen ungetheilten Beifall, den er überall erhielt, und ebendaher fand er an diesem den Künsten und Wissenschaften so holdem Königshofe augenblickliche Anstellung, wodurch diese von alten Zeiten her berühmte Hofkapelle eine neue Zierde, einen erneuerten Glanz, und so Ersatz für Marchesi, Raff und andere große Sänger erhielt. Des Königl. baierischen Hofsangers Brizzi Stimme ist glänzend, voll und helltönend, und bei einer bewunderungswürdigen Leichtigkeit so stark, daß sie sich in mit vielen Sängern besetzten und von schmetternden Trompeten und wirbelnden Paucken begleiteten Chören, ohne sich die geringste Gewalt anzuthun, deutlich ausnimmt. Durch seinen sonoren Gesang, der von einer angenehmen Tenor-Höhe bis in tiefe Baßtöne steiget, erschüttert er mächtig die Nerven seiner Zuhörer, und setzt jedermann durch seine Fertigkeit, dann Vollkommenheit und Ründe seiner Passagen, womit er seinen Gesang gar nicht überladet, sondern sie mit Verstand und Effekt anzubringen verstehet, in Entzücken und Bewunderung. Die gewagtesten und größten Schwierigkeiten verschwinden bei ihm durch die Leichtigkeit, mit der er sie behandelt und vorträgt. Er ist ganz Meister seiner Kunst, und seiner Stimme, und wenn er gleich in Bravourarien seine Stärke zeiget, so singt er doch auch mit einer Zartheit, einer Empfindung, Annehmlichkeit und einer Delikatesse Rondeaux und Adagio, die jedermann nur zu deutlich sein ausserodentliches Talent verrathen, und beweisen, welche große Einsicht er selbst in die Misterien der Musik habe. Am Münchener-Hofe trat er bisher in folgenden großen italienischen Opern auf: a) Achilles, mit Musik von Paer; b) Titus, mit Musik von Motzart; c) Horatzier und Curiatzier, mit Musik vom Cimarosa; d) Ginevra, mit Musik vom Simon Mayr; e) Numma Pompilius, mit Musik von Paer, und Adelasia und Alieramo.