Lipowsky 1811

Reiner, (Caroline): Reiner, (Caroline), wurde 1762 zu Wien geboren. Da ihr Vater Schauspieler in Prag gewesen, so widmete sie sich in früher Jugend der Schauspielkunst, für welche sie eine entschiedene Neigung, und ein angebornes Talent hatte. In Olmütz heirathete sie den dortigen Schauspieler Franz Xaver Heigl 1775, mit dem sie in der Folge nach München kam. In dieser Residenzstadt war sie wegen ihrer Kenntnisse, ihrer Belesenheit, ihrer feinen Welt, und ihres künstlichen Spiels allgemein beliebt und geschätzt, und mit Thränen im Auge hörte das Publikum ihr zu, als sie den 15. September 1778 in Romeo und Julie zu Ende des dritten Aktes, nachdem sie als Julie den Schlaftrunk zu sich genommen hatte, und vom Sopha aufgestanden war, ihre Abschieds-Rede hielt, und dann, weil die vom Churfürst Karl Theodor mitgebrachte Schauspieler-Gesellschaft die künftigen Vorstellungen gab, nach Salzburg mit ihrem Manne gieng. Aber frohlockend ward sie nebst ihrem Manne empfangen, als beide im folgenden Jahre, vom Churfürsten zurückberufen, die Bühne wieder betraten, und unter diesen großen Künstlern bewiesen, daß auch sie es werth seyen in ihrer Mitte zu stehen, unter ihnen zu glänzen. Caroline Reiner, vereheligte Heigl, gehörte vorzüglich unter jene Schauspielerinnen, die ihre Kunst nicht nur praktisch, oder gar oberflächlich erlernt, sondern dieselbe theoretisch und gründlich studirt hatten. Auch sie verstand ganz das vorzustellen, was sie sollte, und war nicht allein handelnde, sondern auch fühlende Künstlerinn, sie strebte nicht nach dem Ruhm eines Sonderlings, drang sich nie mit unbescheidenem Eifer auf, beleidigte nie die Ohren der Zuseher mit einem kreischenden Ach! oder Wehe! sondern ließ, wenn sie einmal den Charakter ihrer Rolle überdacht und angelegt hatte, in der Ausführung und Darstellung die Natur und ihr Herz sorgen, und sagte jedes Ding so, wie man es in dieser oder jenen Lage sagen mußte. -- Daß sie jene vortreffliche Schauspielerinn geworden, verdankte sie vorzüglich dem Umgange mit Gelehrten und Künstlern, ihrer Belesenheit, ihrem Nachdenken über Kunst, und ihrem eigenem großen Talente, besonders aber auch, weil sie von Stufe zu Stufe in der Kunst empor stieg, mit leichtern und kleinern Rollen anfieng, und erst in der Folge schwerere und schwierige übernahm. Eine Seltenheit heut zu Tage, wo es Zeitgeist ist, daß Anfänger und Anfängerinnen gleich mit großen und schweren Rollen beginnen, hierin ihrem Lehrer Ton, Mine, Gebärde, Stellung u. s. w. sclavisch nachäffen, nie das Wahre der Kunst begreifen, vielweniger verstehen, und als Drathpuppen mechanisch handeln, sprechen, spielen, und ebendaher sehr klein ihr theatralisches Taglohn enden. In ihren jüngern Jahren sang sie auch in kleinen Operetten Liedchen, Vaudevills, u. dgl. indessen nur zur Aushilfe, und um auch im Gesange das zu leisten, was sie konnte, ohne sich als eine Sangerinn -die sie auch nicht war -- darstellen zu wollen. Sie starb zu München 1804. Westenrieder’s Beitr. (München 1779.) B. I. S. 34. und 366.