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Maximilian Herzog in Bayern (Ps. Phantasus), * 4. Dezember 1808, + 15. Januar 1888 Tegernsee, Gelehrter, Komponist, Zitherspieler

1   Wertung

Es gibt wohl keinen Adeligen im 19. Jahrhundert, der in ähnlich umfassender Weise musikalische Bedeutung erlangte hätte wie Maximilian Herzog in Bayern. Als Zithermaxl und Vater von Kaiserin Sissi einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden, verbirgt sich dahinter einer außergewöhnlich vielfältige und gebildete Persönlichkeit.

2   Biographie

Bezüglich seiner Vita sei auf den NDB-Artikel von Hans-Michael Körner verwiesen, welcher den aktuellen Forschungsstand widerspiegelt. Da dieser aber die Bedeutung Maximilians in musikalischer Hinsicht für Bayern nur streift, soll letztere im Folgenden näher beleuchtet werden.

2.1   Herkunft und Überblick

Maximilian entstammt der pfälzische Nebenlinie Birkenfeld-Gelnhausen des Hauses Wittelsbach. Dieser wurde durch Maximilian Joseph (später König Max I.) der Titel Herzog in Bayern verliehen, jedoch ohne irgendeine Regierungsfunktion. So konnte Maximilian – wenngleich er auf dem Papier eine militärische Karriere einschlug – ganz seinen privaten Neigungen nachgehen: insbesondere der Geschichtswissenschaft, der Literatur und der Musik. In all diesen Bereichen erlangte er seine Bedeutung nicht durch spezifisches Fachwissen, sondern durch Offenheit und lebendiges Interesse verbunden mit einer enormen Allgemeinbildung; die 27.000 Bücher seiner privaten Bibliothek sprechen für sich. Er war Dilettant, Liebhaber im besten Sinne des Wortes. Und so weit wie sein geistiger Horizont war, so vielseitig war sein Wirken, auch im musikalischen Bereich. Maximilian schreckte etwa nicht davor zurück, nachmittags mit seiner Zither im Wirtshaus aufzuspielen und abends in erlauchten Kreisen zu tafeln. Für ihn gab es keine Grenzen: weder zwischen unterschiedlichen Musikrichtungen, noch zwischen Adel und Volk.

Auch wenn die Darstellung einer so vielseitigen Persönlichkeit, die sich für die Opern Wagners (Das ist eine herrliche, großartiger Musik. Man hört Akkorde und Töne, die noch nicht da waren.) genauso interessierte wie für die Wirtshauslieder der oberbayerischen Bauern, immer nur schemenhaft bleibt, sollen folgende drei Punkte besondere Beachtung finden: sein Betreben, Altes zu bewahren, sein Ziel, Vorhandenes zu pflegen und weiterzuentwicklen und seine Eigenschaft, Neues zu fördern.

2.2   Werke

In den 1820er Jahren begann die Münchner Gesellschaft, ausgehend von den Malern, die die Berge auf ihren Bildern einfingen, die Alpen und ihre Bewohner zu entdecken. Bald darauf schlug diese Welle auch auf die Musik und die Dichtung über. Als ein aus Franken Zugereister ließ sich Maximilian ganz besonders für diese Entdeckung der oberbayerischen Landschaft, ihrer Bewohner, ihrer Musik und ihrer Bräuche begeistern. Dem Beispiel der Maler Neureuther und Halbreiter folgend, die 1831 bzw. 1839 kleine Sammlungen oberbayerischer Gebirgslieder herausgegeben hatten, stellte Maximilian 1846 eine Sammlung von 28 Alpenlieder zusammen: Oberbayerischer Volkslieder mit ihren Singweisen von H.M.. 27 Lieder aus diesem Heft fanden später Eingang in die Sammlung oberbayerischer Volkslieder, die Kobell 1860 im Auftrag des Königs Max II. herausgab. Auch hielt Maximlian, als die Eisenbahn allmählich die Postkutsche ablöste, 24 alte Postlieder aus Altbayern, Württemberg, Nürnberg, Bamberg, Darmstadt, Kurhessen, Frankfurt und Preußen in Noten fest (Sammlung von Posthornklängen für das chromatische Horn) und bewahrte sie so vor dem Vergessen.

2.3   Einfluss auf die Volksmusik

Auch die oberbayerischen Instrumentalmusik wurde – nach langer mündlicher Überlieferung – im 19. Jahrhundert erstmals schriftlich aufgezeichnet. In diesem Bereich trat Maximilian jedoch weniger als Sammler, sondern vielmehr als kreativer Schöpfer in Erscheinung. Dank seiner fundierten musikalischen Ausbildung – er selbst spielte Klavier und Zither – beherrschte er die musiktheoretischen Grundlagen. Seine zwischen 1841 und 1858 im Druck erschienenen gut 60 Werke sind zumeist (Mode-)Tänze seiner Zeit: Walzer, Mazurkas, Quadrillen sowie Landler und Märsche. Die eine Hälfte dieser mit Opusnummern versehenen Stücke ist für das Klavier, die andere für Zither- oder Violinbesetzung geschrieben. Oftmals übernehmen seine Kompositionen Elemente aus ländlichen Stücken, wie Ernst Schusser gezeigt hat. Andererseits prägen seine Werke wiederum die Volksmusik und werden von ihr zurechtgespielt. Das Paradebeispiel dafür ist die für seine Tochter Maria Sophia Amalia entstandene Amalien-Polka, die sich seit 1850 in zahlreichen Musikantenhandschriften in ganz Bayern findet. Während Maximlian seine zahlreichen literarischen Werken immer unter Pseudonym veröffentlichte, gab er sich bei seinen musikalischen Werken mit dem Kürzel H.M. zu erkennen. Neben den Druckausgaben finden sich im Familienbesitz S. K. H. Maximilians Herzog in Bayern und in weiterem Privatbesitz noch eine Vielzahl von Handschriften Herzog Max’, deren genaue wissenschaftliche Betrachtung aussteht. Das Werkverzeichnis gibt daher nur einer Überblick über die gedruckten Werke.

2.4   Aufführungen

Zur Aufführung kamen die Werke Maximilians unter anderem bei wöchentlichen Treffen, bei denen der Herzog künstlerisch und kulturell tätige Menschen um sich versammelte. Nachdem Vorträge und Reiseberichte zur Diskussion angeregt hatten und Neuerscheinungen ausgetauscht und besprochen waren, ging die Unterhaltung meist musiklisch weiter: Hofmedicus Dr. Ludwig Koch und Kapellmeister Blumschein griffen in die Tasten, August Kindermann ließ seinen Bariton ertönen, Kaufmann Max Fellheimer trat als musikalischer Clown auf, Herzog Maximilian selbst gab den Anstoß zum Schnaderhüpferl-Singen und sein Kammermusiker Johann Petzmayer ließ die Saiten seiner Zither erklingen, oft auch im Duo mit dem Herzog. Denn dieser hatte den aus Wien stammenden Zitherspieler Johann Petzmayer (1803-1871), als er ihn 1837 bei einem Konzert in Bamberg gehört hatte, sofort in sein Gefolge aufgenommen. Von dieser Zeit an war Petzmayer auf das Engste mit dem Herzog verbunden: als Lehrer, steter Begleiter auf allen Reisen (bis in den Orient) und qualifizierter Lehrer und Duopartner.

2.5   Förderer der Kultur

Als dritter Punkt spielte die Förderung der Musik eine wichtige Rolle in Maximilians Leben. Dies geschah zum einen in Form einer monetären Unterstützung: So erhielt etwa das Musiktheater seiner Heimatstadt Bamberg pro Jahr einen Zuschuss von 2.000 Gulden aus der herzoglichen Kasse, ohne den es nicht hätte exisiteren können. Ebenso versuchte der Herzog durch die Verleihung von Herzog Max- Medaillen kulturell tätige Menschen zu fördern. Dabei wird bereits eine weitere Art der Förderung sichtbar: die idelle Förderung. Maximilian hatte als eine in allen Bevölkerungsschichten anerkannte und geschätze Person Vorbildcharakter – ähnlich Erzherzog Johann von Österreich. Am Beispiel der Zither wird es besonders deutlich: Zum einen bestärkte er, selbst (zum Teil unerkannt) im Wirtshaus Zither spielend, das Landvolk, die Zither und damit ihre Kultur zu pflegen. Andererseits war er als Idol auch bester Neuerer: Während vor 1840 die Kratzzither im Volk gespielt wurde, trat Herzog Maximilian als Verbreiter und Förderer der neu entstandenen Schlagzither auf, so dass er vielfach als Protektor der Zither bezeichnet, manchmal in seiner Rolle sogar mit der Ludwig II. in Bezug auf Richard Wagner verglichen wird. In gleichem Maße wie Herzog Maximilian das Landvolk prägte, hatte sein Verhalten auch Einfluss auf die Oberschicht. Seinem Vorbild folgend finden sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts oft Zitherspieler in der Stellung eines Kammermusikers, etwa an den Höfen seiner Kinder: bei Kaiserin Elisabeth in Wien, Königin Marie in Neapel, Fürstin Helene von Thurn und Taxis und Herzog Wilhelm in Bayern, aber ebenso bei König Otto von Griechenland, Erzherzogin Marie von Österreich, Kronprinzessin Alexandra von England, Prinzessin Beatrice von Wales etc.

In seinem Bestreben, die Zither an den staatlichen Akademien der Tonkunst als vollwertiges Instrument einzuführen, war Maximilian seiner Zeit mehr als 50 Jahre voraus. Sicher hätte die Zither auch ohne Maximilian ihre Verbreitung gefunden, aber nicht in dem Maße.

2.6   Resümee

Herzog Maximilians Bedeutung für die bayerischer Musikgeschichte liegt nicht in bahnbrechenden Neuerungen. Vielmehr erkannte er zukunftsweisende Strömungen, griff sie auf und baute sie aus. Durch seine Aufgeschlossenheit, Toleranz und Bildung wurde er zu einem zentralen Bindeglied zwischen städtischer und ländlicher Kultur und damit zur zentralen Figur in einer Bewegung, die ohne sein Wirken nie diese Stärke erreicht hätte. Auch begründete er die Wittelsbachsche Familientradition, Forschung und Sammlung des Volksgutes zu fördern, was in der Betreuung des Volksmusikpflegers und -forschers Kiem Pauli (1882-1960) durch des Herzogs Enkel, Herzog Ludwig Wilhelm (1884-1968), seine Fortsetzung fand.