NDB 1/1990, Bd. 16

Maximilian, Herzog in Bayern (Ps. Phantasus), * 4. 12. 1808 Bamberg, + 15. 1. 1888 Tegernsee. (kath.) Aus d. Hause Witteisbach; V Hzg. Pius August v. Birkenfeld-Gelnhausen (1786-1837), S d. Pfalzgf. Wilhelm v. Birkenfeld-Gelnhausen (1752-1837) u. d. Maria Anna Pfalzgfn. v. Zweibrücken-Birkenfeld (1753-1824); M Prn. Amalie Luise (1789-1823), T d. Hzg. Ludwig v. Arenberg; ∞ Tegernsee 1828 Prn. Ludovika Wilhelmine (1808-92), T d. Kg. Maximilian I. v. Bayern (+ 1825, s. NDB 16); 5 S (1 früh +), 5 T, u. a. Ludwig Wilhelm (1831-1920, General, ∞ 1) Henriette Mendel [seit 1859 Frfr. v. Wallersee, 1833-91], 2] Antonie Barth, * 1871, seit 1892 v. Bartolf], Karl Theodor (1839-1909, Augenarzt, ∞ 1] Prn. Sophie v. Sachsen, 1845-67, 2] Maria Jösepha, Infantin v. Portugal, Prn. v. Braganca, 1857-1943), Max Emanuel (1849-93, ∞ Prn. Amalie v. Sachsen-Goburg u. Gotha, 1848-94), Helene (1834-90, ∞ Fürst Maximilian v. Thurn u. Taxis, 1831-67), Elisabeth (+ 1898, CD 1854 Kaiser Franz Joseph v. Österreich, 11916, s. NDB V), Marie, Kgn. v. Neapel-Sizilien (+ 1925, s. NDB 16), Mathilde Ludovika (1843-1925, ∞ Prinz Ludwig v. Bourbon-Sizilien, Gf. v. Trani, 1838-86), Sophie (1847-97, verlobt mit Kg. Ludwig II. v. Bayern, ∞ 1868 Ferdinand Prinz v. Orleans, Hzg. v. Alencon, 1844-1910). M. ist in der Reihe der Herzöge in Bayern wohl die auffälligste Erscheinung. Seine ersten Lebensjahre verbrachte er in Bamberg (das seinem Großvater als Residenz zugewiesen war) - seit 1814 unter dem strengen Regiment seines Lehrers, des kurmainz. Kammerrats Otto. Während der Ferien hielt er sich häufig in Banz auf. Auf königliches Betreiben wurde seine Ausbildung 1817 nach München ins „Kgl. Erziehungsinstitut für Studierende" verlegt, wo er der besonderen Obhut des Institutsleiters Dr. Benedict v. Holland anvertraut war. 1823 wies ihm Kg. Maximilian I. die Maxburg als Wohnung und Max Frhr. v. Freyberg als Hofmeister zu. Nach dem Besuch von Vorlesungen an der Universität (1826/27) und nach Erreichen der Volljährigkeit trat er am 14.11.1827 in die Kammer der Reichsräte ein. 1830 bezog M. das nach den Plänen Klenzes erbaute und von Schwanthaler und Kaulbach ausgestattete Palais an der Ludwigstraße in München (abgebrochen 1938). Der Verkauf der franz. Besitzungen aus dem Erbe seiner Mutter ermöglichte u.a. den Erwerb von Schlössern und Gütern in Possenhofen, Garatshausen (1834), Kühbach und Unterwittelsbach (1838/39). 1834 erfolgte die Ernennung zum Kreiskommandanten der Landwehr im Isarkreis, im selben Jahr avancierte M. zum Chef der hzgl. Linie des Hauses, noch zu Lebzeiten seines Großvaters und Vaters. Das Verhältnis zur kgl. Linie bestimmte in entscheidenden Momenten die Laufbahn M.s: von der großzügigen Förderung durch Maximilian I. in Kindheit und Jugend über die noch von diesem vorbereitete Eheschließung und das konsequente Beharren Ludwigs I. auf dem Vorrang der kgl. vor der hzgl. Linie bis zur Gestattung des Prädikats „Kgl. Hoheit" durch Ludwig I. 1845. Das Ansehen, das dem hzgl. Haus unter M. zuwuchs, war nicht zuletzt die Folge einer Heiratspolitik, die allerdings wohl weit eher auf das Konto seiner Gemahlin Ludovika ging. Trotz einer nominellen militärischen Karriere (1848 Generalleutnant, 1857 General der Kavallerie) ohne Interesse an einer militärischen oder politischen Tätigkeit (nach der Reichsgründung eher deutsch- und reichsorientiert als die anderen Mitglieder des Kgl. Hauses) und in einer gewissen Distanz zum Münchener Hof, lebte M. ganz seinen privaten Neigungen und wurde zu einem Prototyp des Münchener Biedermeier, in dem sich adlige mit bürgerlichen und bäuerlichen Lebensformen mischen. Selbst leidenschaftlicher Zitherspieler („Zithermaxi"), betrieb er, vor allem nach seiner Begegnung mit Johann Petzmayer, dem berühmtesten Zithervirtuosen der Zeit, und in Zusammenarbeit mit F. v. Kobell planmäßig die Pflege der Volksmusik (1846 Herausgabe einer Sammlung „Oberbayer. Volkslieder mit ihren Singweisen") und stiftete damit eine Tradition, die von der hzgl. Linie des Hauses Witteisbach bis ins 20. Jh. weitergepflegt wurde. Damit verbanden sich eigene kompositorische Versuche, dichterische Neigungen in romantischer Manier (sein Schauspiel „Der Fehlschuß", 1847, wurde in München und Wien aufgeführt), besondere Zuwendung zur Dialektdichtung, ein ausgeprägtes historisches Interesse, das sich in der Förderung der Historischen Vereine und in eigenen historischen Publikationen ausdrückte, und eine lebensnahe Verbindung mit dem oberbayer. Volk, das reichen Stoff für Anekdoten und Stilisierungen seiner Leutseligkeit lieferte. Das Palais Max in München wurde zu einem Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens mit Theateraufführungen, inszenierten Bauernhochzeiten, Konzerten, Zirkusvorführungen (mit dem Herzog als Dressurreiter) und einer Tafelrunde im Stil der Münchener Herrengesellschaften mit 14 „Rittern" (darunter Pocci, Kobell und Gärtner) und dem Herzog als „König Artus". Von den vielen Reisen M.s erweckte besonderes Aufsehen seine Orientreise (1838), die er u. a. in Begleitung des von ihm zum Kammervirtuosen ernannten Petzmayer antrat und von der er vier Negerknaben nach München mitbrachte, die im Münchener Dom von Erzbischof v. Gebsattel getauft wurden. Weitere Schrr. u.a. Novellen v. Phantasus, 1831; Skizzenbuch v. Phantasus f. 1834; Jakobina, Novelle v. Phantasus, 1835; Der Stiefbruder, Novelle v. Phantasus, 1838; Wanderung nach d. Orient im J. 1838, unternommen u. skizziert v. d. Hzg. M. in Bayern, 1839 (P); Erzz. f. d. reifere Jugend, 1870; Posthornklänge f. d. chromat. Hörn (mit Zeichnungen v. W. Diez u. Reisebildern v. Karl Stieler), 1873. L ADB 52; I. v. Döllinger, Gedenkrede beim Stiftungsfest, d. Bayer. Ak. d. Wiss., 1889; J. Borst, Die Zither u. ihre fürstl. Förderer, in: Bayerland 11, 1900, S. 273-74; A. Dreyer, Hzg. M. in Bayern, d. erlauchte Freund u. Förderer d. Zitherspiels u. d. Gebirgspoesie, 1909; ders., in; Ll. aus Franken 1,1919, S. 310-26 (Vera, d. Schrr. u. Komp.); Adalbert Prinz v. Bayern, Max I. Joseph v. Bayern, Pfalzgf., Kf. u. Kg., 1957; ders., Die Wittelsbacher, 1979; L. Schrott, Biedermeier in München, Dokumente e. Schöpfer. Zeit, 1963; K. Spengler, Die Wittelsbacher am Tegernsee, 1970; H. v. Witzleben u. I. v. Vignau, Die Herzöge in Bayern, Von d. Pfalz zum Tegernsee, 1976; dieselben, Musik, Zirkus u. prunkvolle Feste, in: Charivari 3/1, 1977, S. 45-47; H. Ottomeyer (Hrsg.), Biedermeiers Glück u. Ende, 1987; E. Schusser, Hzg. M. in Bayern (1808-88) u. d. Volksmusik, in: Sänger-u. Musikantenztg. 23,1980, S. 143-58.
Körner, Hans-Michael