Mendel 1/1877, Bd. 8

Paumann, Conrad, nicht Baumann, wie immer wieder zu lesen ist und auch als Druckfehler am Kopfe des zweiten Jahrbuchs von Chrysander 1867 prangt. P. war in Nürnberg im Anfange des 15. Jahrhunderts und zwar blind geboren und starb als berühmter Componist und Orgelspieler in München im J. 1473. Friedr. Wilhelm Arnold hat in dem oben genannten Jahrbuche S. 70 u. f. mit grossem Fleiss und Glück alles gesammelt, was Bezug hat auf Paumann's Leben und seine Compositionen und ihm ist es hauptsächlich zu danken, dass wir Kenntnis erhalten von den Instrumentalleistungen einer so frühen Zeit. Paumann's Ruhm besingt zuerst (1447) Hans Rosenplüt, und da Arnold erklärt, diese Verse sind unklar und schwer zu verstehen, so wollen wir sie hier in hochdeutscher Lesart wiedergeben, denn schwer verständlich sind nur dem Uneingeweihten die musikalischen Ausdrücke alter Zeit. Rosenplüt schreibt: Noch ist ein Meister in diesem Gedichte / der hat Mangel an seinem Gesichte, / der heisst Meister Conrad Paumann, / dem hat Gott solche Gnad gethan, / dass er ein Meister ob allen Meistern ist. / Wann er trägt in seinen Sinnen list / die Musics mit ihrem süssen Ton, / solt man durch Kunst einen Meister kron'n. / Er trug wohl auch von Gold ein Kron / mit Contra Tenor (= Contrapunkt) und mit Fabérton, (unbekanntes Wort, vielleicht im Gegensatz zur contrapunktischen Musik) / mit primi tonus (1. Tonart) tenorirt er, (Tenor war die Hauptstimme, an der man die Tonart erkannte) / auf elami so sincopirt er, (e in der zweiten Octave des Hexachord) / mit Resonanzen in accutis, (vielleicht gleich Consonanzen, Wohlklänge; in acutae, d. i. die mittlere Octave des Hexachord) / ein traurigs Herz wird freien Muthes, / wenn er aus der Octav discantirt / und Quint und ut (= G) zusammen resamirt (wohl von resono, wiedertönen, zusammenklingen) / und mit Proportiones in gravibus. (Proportio war der Uebergang vom zweitheiligen in den dreitheiligen Takt und graves hiessen die tiefsten Töne des Hexachord.) / Respons, Antissen (Antiphonen) und Introibus / Impin (Hymnen?), Sequenzen und Responsoria (sind alles Kirchengesänge) / das trägt er alles in seinem Memoria (Gedächtniss) / Ihm war plicetum oder geschaczt unbekannt / und was für Musicam wird geschatzt / in Chorus antum (cantum?), kam er aussen (auswendig) / [Plicetum, wohl von plica, Note mit Strich; geschaczt unbekannt, vielleicht geschwärzte Note?] Rundel (Rondo), Muteten (Motetten) kann er slugmanssen (schlagen in Massen); / sein Haupt ist ein solches Gradual (ein Kirchenbuch mit Gesängen) / in gemessnem Cantus mit solcher Zahl, / dass Gott hat selbs genotirt dort ein (d. h. Gott hat ihm die Noten selbst in den Kopf geschrieben). Wo mag wohl ein bessrer Meister sein! / Darumb ich Nürnberg preis' und lob', Fernere Nachricht geben die einstmals in der Liebfrauenkirche in München vorhandene Gedenktafel (s. "Jahrbuch" p. 33) und die in Werningerode im Manuscript befindlichen Orgelstücke, die in obigem "Jahrbuch" p. 182 u. f. abgedruckt sind. Wenn letztere auch vielfach nur in Uebungen bestehen, wie sie ein Lehrer seinen Schülern aufschreibt, so sind doch ausserdem eine Anzahl Sätze vorhanden, die uns einen Einblick in die Leistungen der Orgelkunst in der Mitte des 15. Jahrhunderts gewähren.