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Seidl, Hans, * 24. Mai 1907 München, † 26. Dezember 1973 Sauerlach, Klarinettist, Kapellmeister, Volksmusiksammler, Musikredakteur

1   Leben

Hans Seidl 1959
Quelle: BR, Historisches Archiv

Die ersten Erfahrungen im Instrumentalspiel machte Seidl im Alter von etwa neun Jahren. Neben seinem späteren Hauptinstrument, der Klarinette, erwarb er sich weiterhin Fertigkeiten im Spiel auf der Trompete, Harmonika, Konzertina, Gitarre sowie dem chromatischen Hackbrett. Als versierter Musikant war er in zahlreichen Blaskapellen aktiv, die er oft auch als Kapellmeister und Dirigent erfolgreich leitete. Der Vokalmusik fühlte er sich als Chorleiter diverser Volkslied-Chöre ebenso sehr verbunden.

Bereits als Vierzehnjähriger begann er, instrumentale Tanzmusikweisen in Altbayern zu sammeln. Diese aus handschriftlichen Notenbüchern, Notendrucken und eigenen Aufzeichnungen bestehende Sammlung enthielt bis zu seinem Tod rund 12.000 Melodien – vornehmlich Landler. Seidl wirkte ferner als Herausgeber diverser Volkslied- und Tanzmusik-Editionen sowie als Bearbeiter und Komponist zahlreicher Volksweisen und einer Alpenländischen Volksmesse (um 1970).

Durch seine Bekanntschaft mit dem Kiem Pauli (1882-1960) kam er mit der zeitgenössischen Ideologie alpenländischer Volkslied-, bzw. Volksmusik-Sammlung und -pflege in Berührung. Kiem war es auch, der ihm den Weg zum Bayerischen Rundfunk (BR) ebnete, wo er, nach anfänglicher freier Beschäftigung, von Oktober 1949 bis Juni 1959 als erster Leiter der neu gegründeten Abteilung Volksmusik tätig war. Kraft seines Amtes forcierte er dort die Produktion von Tonbandaufnahmen und war so maßgeblich für den Aufbau des heute wohl größten Volkslied- und Volksmusik-Archivs einer deutschen Rundfunkanstalt verantwortlich. In den ersten Jahren entstanden so zahlreiche Aufnahmen alpenländischer Drei- und Viergesangsgruppen. Ab etwa 1955 favorisierte Seidl überwiegend die instrumentale Blasmusik. Durch gezielte Selektion und Bearbeitung des eingespielten Repertoires und den zunehmenden Einsatz dieser Tonbandaufnahmen in Rundfunksendungen wirkte Seidl stark geschmacksbildend.

Aus seiner Tätigkeit beim BR wurde er am 9.6.1959 allerdings fristlos entlassen, nachdem er sich unrechtmäßig als Arrangeur und Komponist zahlreicher Tonaufnahmen ausgegeben und dafür Tantiemen in beträchtlicher Höhe bezogen hatte. Das Amtsgericht München verurteilte ihn daher 1964 zu einem Jahr Gefängnisstrafe und einer Geldbuße.

Seinen Lebensabend verbrachte er in Sauerlach bei München, wo er nach längerer Krankheit verstarb.

2   Publikationen (Auswahl)

Oberpfälzische Volkslieder. München 1957 (Bayerische Volksmusik, Heft 1)
Gesungene Zwiefache aus der Oberpfalz. München 1957 (Bayerische Volksmusik, Heft 2)
Niederbayerische Volkstänze. München 1958
Alpenländische Volksmesse. Gauting o. J.

3   Literatur

Grill, Tobias: Alles Neu macht der ... Seidl. Eine Geschichte von Moral und Unsitte im »Volksmusik«-Geschäft, in: Zwiefach 55/3, 2012, 31.
Ohne Autor: Hans Seidl, in: Der Spiegel 18/28, 1964, 78.
Ohne Autor: Hans Seidl, der Volksmusiker, in: Bayernkurier 25/2, 12. Januar 1974.
Ohne Autor: Korruption. Aus dem Böhmerwald, in: Der Spiegel 13/30, 1959, 57.
Schusser, Ernst: „Heimat“ hören? – Die Stellung der Volksmusik im Bayerischen Rundfunk, in: Margot Hamm, Bettina Hasselbring, Michael Henker (Hrsg.): Der Ton – Das Bild. Die Bayern und ihr Rundfunk 1924 – 1949 – 1999. Augsburg 1999, 163-175.
Volksmusikarchiv des Bezirks Oberbayern (Hrsg.): “Immer gibt es Neuigkeiten ...“ – Eine Reise durch 200 Jahre Volksmusiksammlung und –pflege in Oberbayern. München 1993.