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Knirsch, Siegfried, * 5. Februar 1899 Uničov, † 25. November 1963 Traunreut, Lehrer, Musikpädagoge

1   Ausbildung und Beruf

Siegfried Knirsch
Quelle: Aicher 2011

Siegfried Knirsch wurde in Uničov (Mährisch Neustadt, Kreis Sternberg) geboren. Den ersten Instrumentalunterricht (Geige, Violoncello und Fagott) erhielt er durch den Vater bereits im Kindesalter. In seiner Heimatstadt sang Knirsch seit frühester Jugend im Schülerchor und spielte in Kammer- Kirchenmusikensembles. Nach dem Abitur am Staatsgymnasium wurde er zum Militärdienst eingezogen und verbrachte die Jahre 1917-1918 so als Soldat an der Ostfront im Ersten Weltkrieg. Unmittelbar nach Kriegsende begann er ein Lehramtsstudium mit den Fächern Pädagogik, Mathematik, geometrisches Zeichnen, Freihandzeichnen und Kalligraphie an der Lehrerbildungsanstalt in Troppau, das er 1921 zunächst mit der zweiten Lehramtsprüfung, 1926 dann mit der Befähigungsprüfung für Bürgerschulen abschloss. 1939 bildete er sich an der Staatlichen Hochschule für Musikerziehung und Kirchenmusik in Berlin auch musikalisch fort und erwarb dort die Lehrbefähigung für Chorleitung und Instrumentalmusik (alle Streichinstrumente, klassische Gitarre, Waldhorn, Fagott und Blockflöte). Seine Fertigkeiten als Orgel-, Harmonium- und Ziehharmonikaspieler erarbeitete er sich autodidaktisch.

Ab 1927 trat Knirsch eine Stelle als Lehrer an der Bürgerschule in Šumperk (Mährisch-Schönberg) an, die er ab 1940 als Direktor leitete. Er bekleidete dort überdies das Amt des Kulturreferenten und war Mitglied im Schöneberger Streichquartett. Als Soldat der Wehrmacht (ab 1942) geriet er bei Kriegsende in französische Kriegsgefangenschaft, die er bis 1946 in Saint-Martin-de-Ré verbrachte. Die anschließende Suche nach seiner vertriebenen Familie führte Knirsch nach Bayern. Nach ersten Tätigkeiten als Knecht in Traunstein erhielt er noch im Herbst des selben Jahres in Reit im Winkl eine Anstellung als Lehrer, später als Schulleiter. 1951 ließ Knirsch sich in die 1950 neu gegründete Gemeinde Traunreut versetzen, wo er sich, neben seinem Schuldienst als Oberlehrer, dem Aufbau der örtlichen Kultur- und Jugendarbeit widmete. Er gründete dort das Traunreuter Kammerorchester. (später Ruperti-Orchester) und die Jugendblaskapelle Traunreut. Er war ferner Mitglied des Traunreuter Streichquartets, des Liebhaber-Quartetts, des Traunsteiner Kammerorchesters sowie des Bachvereins Traunstein. Eine weitere Versetzung nach Schongau (1956) zwang ihn, sein vielfältiges Engagement dort einzustellen. Knirsch kehrte 1958 zwar wieder nach Traunreut zurück, um dort als Volksschullehrer zu wirken, nahm jedoch seine früheren kulturellen Aufgaben und Ämter nicht wieder auf. Wenige Jahre später starb er ebenda.

2   Wirken als Musik- und Tanzpädagoge

Knirsch als Singlehrer (um 1947)
Quelle: Aicher 2011

Durch diverse Besuche von Singwochen (u. a. Finkenstein 1923) und Fortbildungskursen in den 1920er und 30er Jahren wurde Knirsch stark von den zeitgenössischen Strömungen der Jugendmusikbewegung um Walter Hensel (1887–1956), Adolf Seifert (1902–1945) und Oskar Fitz (1897–1971) sowie durch die reformpädagogischen Ideen von Georg Kerschensteiner (1854–1932) und Maria Montessori (1870–1952) beeinflusst. Überzeugt von diesen Idealen beteiligte sich Knirsch nicht nur am Kulturleben seiner jeweiligen Wohn- und Aufenthaltsorte, sondern prägte dieses durch sein vielschichtiges Wirken maßgeblich und nachhaltig. Neben seinem Engagement als aktiver Musiker, Sänger oder Dirigent in diversen Ensembles, Musik- und Gesangsvereinen, ist vor allem seinem Wirken als Musikpädagoge sowie als Initiator und Leiter zahlreicher kultureller Projekte große Bedeutung beizumessen. Sowohl in Šumperk, als auch in Reit im Winkl und Traunreut schuf Knirsch durch die Gründung von Blaskapellen, Fanfarenchören und Spielmannszügen, von Chören, Streich- und Kammerorchestern, Tanz- und Spielkreisen im Erwachsenen-, vornehmlich aber im Jugendbereich, nicht nur wichtige Strukturen beim Aufbau der musikpädagogischen Jugendbildung, sondern auch hinsichtlich der allgemeinen Kulturarbeit. Dies manifestiert sich weiterhin in der Organisation und Durchführung von Opernaufführungen, Orchester-, Kammer- oder Kirchenkonzerten.

Knirsch als Dirigent der Jugendblaskapelle Traunreut (um 1955)
Quelle: Aicher 2011

Zwischen 1947 und 1953 war Knirsch darüber hinaus als Veranstalter und Leiter zahlreicher Heimatabende, offener Singen, Singwochen und Tanzlehrgänge in ganz Oberbayern aktiv und gab die Tanzsammlung Sechsunddreißig Heimat-Tänze (München 1949) heraus. Seine Veranstaltungen waren geprägt von den Idealen Hensels und der Finkensteiner Bewegung, jedoch war Knirsch auch um die Integration von Lokalkolorit, also spezifisch alpenländischer Elemente, bemüht. Diesbezüglich stand er mit bedeutenden Protagonisten der bayerischen Volksmusikpflege, wie etwa Wastl Fanderl (1915–1991), in Kontakt.

Als Mitglied und Berater einschlägiger Verbände und Institutionen (Sudetendeutsche Landsmannschaft, Sudetendeutsche Junglehrerschaft, Arbeitsgemeinschaft Sudetendeutsche Erzieher u. a.) sowie in enger Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Jugendring trat er nachdrücklich für die Interessen und die Integration Sudetendeutscher Vertriebener in Bayern ein. Diesem Engagement entwuchs 1948 auch der durch ihn begründete Arbeitskreis zur Erhaltung heimatlichen Kulturgutes im Chiemgau e.V.

Der zwar geordnete (ein Repertorium liegt vor), jedoch wissenschaftlich noch weitgehend unberücksichtigte Nachlass ging 2011 an das Sudetendeutsche Archiv im BayHStA über. Er umfasst 1,2 laufende Regalmeter und enthält persönliche Dokumente, zahlreiche Korrespondenzen sowie Liederbücher und Rollenbücher von Laienspielen. Ein weiterer Bestand zu Knirsch findet sich auch im Stadtarchiv Traunreut.

3   Literatur und Quellen

Aicher, Gudrun: Siegfried Knirsch genannt Vati Knirsch. Portrait des Erziehers und Musikers * 1899 † 1963, Selbstverlag, Leimen 2011.
Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Sudetendeutsches Archiv, Nachlass Siegfried Knirsch, Mappe 4 (Biografie).
Sauer, Ingrid: Neues aus dem Sudentendeutschen Archiv. Neuzugänge, in: Nachrichten aus den Staatlichen Archiven Bayerns, Nr. 61, 2011, S. 24-25.